25. September 2024
Killer oder Opfer?
Josephine Tey, Alibi für einen König (Kriminalroman)
Es war bisher gar nicht so einfach, an die Bücher von Josephine Tey (1896-1952) heranzukommen. Während sie in Grossbritannien längst Klassiker sind, galten sie hierzulande jahrelang als Geheimtipp und waren nur Insidern bekannt. Dank gebührt daher dem Kampa Verlag, der Josephine Tey mit der Neuauflage ihres (übrigens gar nicht so umfangreichen) schriftstellerischen Werkes hierzulande bekannt machen möchte. Bezeichnend für dieses Werk ist, dass sie zwar das Krimi-Schema als Form nutzt, ihre Themen aber durchaus literarisch anspruchsvoll sind und durch liebevoll gezeichnete Figuren und einen feinen Humor bestechen.
Worum geht es nun? Inspektor Grant, eine der Hauptfiguren in Teys Romanen, liegt mit gebrochenem Bein im Krankenhaus und langweilt sich fürchterlich. Eine Freundin versorgt ihn mit Bildnissen berühmter Persönlichkeiten, die allesamt in ungelöste oder mysteriöse Mordfälle verwickelt waren, und regt an, sich mit dieser Beschäftigung etwas Zerstreuung zu verschaffen.
Grant ist sofort fasziniert vom Bildnis Richards III., dem letzten König aus dem Haus Pantagenet. Wir kennen Richard als missgestalteten Schurken, der auch vor Kindesmord nicht zurückschreckt, um in den Besitz der Krone zu gelangen. Und seit William Shakespeare ist er einer der bekanntesten Theaterbösewichte überhaupt. Grant ist Polizist und kein Historiker, hat aber ein besonderes Talent für das Lesen von Gesichtern, und dieses scheint so gar nicht zum butigen Image Richards zu passen. Sein Interesse ist geweckt und mit Hilfe eines unterbeschäftigten Historikers beginnt er, vom Krankenhaus aus zu ermitteln. Er tut es mit detektivischen Methoden, geht quellenkritisch vor, untersucht zeitgenössische Zeugnisse und findet so heraus, was historische Fakten, was nicht belegte Behauptungen oder interessenbedingte Umdeutungen sind. Wie das Ganze ausgeht soll hier aber natürlich nicht verraten werden.
Dieser Roman von Josephine Tey ist für mich eine absolute Empfehlung. Obwohl das Buch kurz vor ihrem Tod 1952 erschien, hat es für mich einen sehr aktuellen Bezug. Es zeigt sehr deutlich, wie Geschichte geschrieben wird und dass es die historische Wahrheit mitunter schwer hat, Gehör zu finden.
6. März 2022
Entsetzt, fassungslos und voller Sorge blicken wir seit dem 24. Februar 2022 nach Osten, in die Ukraine. Es wird nun viel geschrieben über dieses Land, und wir stellen unter Umständen fest, dass wir nicht sehr viel wissen über diese Ukraine und vor allem über die Menschen, die dort leben.
Wir haben zwei ganz unterschiedliche Bücher ukrainischer SchriftstellerInnen herausgesucht, die uns dieses Land etwas näher bringen.
„Was für ein Fund!“ schreibt „Die Welt“. Beginn des 20 Jahrhunderts: Es sind die letzten Tage des alten Odessa: Im Vielvölkergemisch der kosmopolitisch-toleranten Stadt, in der das Ukrainische und das Russische, das Jüdische und das Deutsche, das Armenische und das Griechische nebeneinander existieren, wachsen die fünf Geschwister der Familie Milgrom zwischen revolutionärer Gewalt und Assimilation auf. Doch bald trennen sich ihre Lebenswege auf dramatische Weise. Vladimir Jabotinsky, brillanter Feuilletonist und streitbarer Mitbegründer der zionistischen Bewegung, unternimmt eine imaginär-romanhafte Reise in die Stadt, in der er 1880 geboren wurde und in der er seine Kindheit und Jugend verbrachte. „Trouvaille vom Schwarzen Meer: Mehr als siebzig Jahre ließ die deutsche Übersetzung auf sich warten.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung „Ein schwärmerischer Rückblick auf die Zeit, in der sich in Odessa alle Nationen und Religionen mischten.“ DIE ZEIT Odessa ist um 1900 eine blühende Stadt mit südlichem Flair, eine bürgerliche große Stadt mit Oper, Theater, einem bedeutenden Schwarzmeer-Hafen. Gleichzeitig ist sie ein Schmelztiegel der Nationen. Hier leben Ukrainer, Juden, Russen, Griechen, Armenier, Deutsche nebeneinander, was nicht heißt, das man keine Ressentiments gegeneinander hat. Die bürgerlich-jüdische Jugend verkehrt in Klubs und Salons, in allerlei literarischen Zirkeln, übt sich aber auch in Selbstverteidigung, denn der nächste Progrom kommt bestimmt. Die unterschiedlichen Lebenswege der fünf Kinder des wohlhabenden Händlers Abram Milgrom und seiner Frau Anna spiegeln exemplarisch die letzten Tage des alten Odessa wider. Eine viel gelobte Wiederentdeckung – Die »Buddenbrooks« am Schwarzen Meer, geschrieben 1935.
Wer weiß schon wirklich etwas über die Ukraine? Die aufregendste Schriftstellerin der Ukraine Oksana Sabuschko rechnet schonungslos und mutig mit den gesellschaftlichen Verhältnissen ihres Landes ab: Daryna ist Fernsehproduzentin in Kiew. Eines Tages entdeckt sie ein Foto der Partisanin Helzja, Mitglied der Ukrainischen Aufstandsarmee in den 40er Jahren, und beschließt, ihrer Geschichte nachzuspüren. Als sie sich im Zuge ihrer Recherche in Helzjas Enkel Adrian verliebt, steckt sie bereits mitten im Geschehen.
24. Januar 2022
Wie schon an anderer Stelle erwähnt, möchten wir immer wieder auch auf Bücher eingehen, die einerseits nicht unbedingt neu sind und es andererseits nicht auf die einschlägigen Bestsellerlisten geschafft haben, aber dennoch beachtenswert sind. So beispielsweise „Der Schneesturm“ von Vladimir Sorokin.
Ein modernes russisches Märchen?
Als ich vor einiger Zeit die Lektüre dieses Buches beendet hatte, dachte ich: Das war ja total abgefahren. Ich war mir anfangs nicht einmal ganz sicher, ob mir das Buch wirklich gefallen hat. Sicher nicht im herkömmlichen Sinne, aber es hat mich tagelang nicht losgelassen, und auch später noch musste ich immer wieder daran denken bzw. darüber nachdenken.
Dabei fängt alles so an, wie man es zum Beispiel aus den Erzählungen von Tschechow kennt: Russischer Winter, viel Schnee, ein Landarzt, der auf dem Weg in ein Dorf ist, in dem eine Seuche ausgebrochen ist. Alles mutet so an wie in den guten alten Geschichten aus dem 19. Jahrhundert. Dass die Seuche in dem Dorf die Menschen zu Zombies macht, lässt schon einmal aufhorchen und dass das Schneemobil, auf das der Landarzt in Ermangelung eigener Pferde zurückgreifen muss, von fünfzig Minipferden gezogen wird, lässt bereits erahnen, dass da noch einiges kommt. Und das tut es. Obwohl die Erzählweise eher traditionell bleibt, entpuppt sich die von zahlreichen Unterbrechungen behinderte Reise durch den russischen Winter als völlig verrückt. Man begegnet Märchenwesen wie Zwergen und Riesen, aber auch Drogenhändlern und am Ende sogar den Chinesen. Es wird stellenweise brutal, und es gibt Sex.
Wenn man anfangs noch glaubt, sich im 19. Jahrhundert zu befinden, wird einem irgendwann bewusst, dass das nicht stimmen kann, denn es gibt ein Radio mit „lebendigen Bildern“ oder eine Paste, die Filz wachsen lässt, also eher futuristisch anmutende Elemente. Ein Zukunftsroman also? Oder doch eher ein modernes Märchen?
Ganz bestimmt lässt sich dieses Buch in keine bestimmte Schublade stecken. Es ist genauso eine Hommage an die großen Klassiker wie es gleichzeitig auch ein Bruch mit der Tradition ist. Es ist verwirrend und gleichzeitig auch faszinierend, und es steckt voller Anspielungen.
Letztendlich ist dieser Roman sicher keine leichte Kost, aber wenn man sich darauf einlässt, dann lohnt sich die Lektüre auf jeden Fall.
11. Dezember 2021
Raffiniert und fesselnd – Ausgezeichnet mit dem Prix Goncourt 2020 und hochgelobt in den Medien hat der Roman eigentlich schon genug Lorbeeren eingesammelt. Dennoch soll er auf keinen Fall bei unseren Empfehlungen fehlen, denn ich habe ihn mit größtem Vergnügen gelesen.
Eine in Paris gestartete Boeing landet im März 2021 nach schweren Turbulenzen in New York. Im Juni 2021 landet dieselbe Maschine mit denselben Insassen ein zweites Mal in New York. Die Insassen, von denen einige näher vorgestellt werden und die in gewisser Weise bereits ein Doppelleben führen, gibt es nun tatsächlich doppelt.
Wie geht man damit um, plötzlich mit sich selbst konfrontiert zu sein? Und wie reagieren die anderen – angefangen bei den nahen Verwandten bis hin zu den Regierungen?
Ein raffiniert konstruierter Roman, der alles hat, was man sich von einem Roman wünschen kann: Spannung, komische und tragische Momente, philosophische und wissenschaftliche Anklänge und das alles auf hohem sprachlichen Niveau.
Die Lektüre lohnt sich auf jeden Fall!
27. November 2021
Frisch eingetroffen bei uns ist die komplette Krimireihe von Louise Penny um den sympathischen, etwas kauzigen Inspektor Gamache. Louise Penny ist eine kanadische Schriftstellerin und die Handlung spielt ebenfalls in Kanada, genauer gesagt in dem Dorf Three Pines.
Wer die harten Krimis bevorzugt, kommt hier sicher nicht auf seine Kosten, denn es geht eher gemächlich zu. Dafür bekommen die Leser*innen neben der Aufklärung eines Mordes eine sehr schöne Milieustudie und wunderbar gezeichnete Charaktere. Am Ende ist nicht nur der Fall gelöst – man kennt sich auch ganz gut aus in Three Pines.
Die Bücher dieser Serie, vor allem die, die bereits vom Cover her eine winterliche Atmosphäre ausstrahlen, eignen sich ganz hervorragend für lange, dunkle Winterabende bei einer Tasse Tee oder Schokolade – und natürlich auch als Weihnachtsgeschenk.
04. Juni 2021
Am 27. Juli 2021 wird Steffen Kopetzky in Mirow aus seinem Buch „Monschau“ lesen.
Dieses Buch hat wahrlich die besten Chancen, „Das Buch der Stunde“ oder „Das Buch zur Zeit“ zu werden. Warum? Es geht in diesem Roman von Steffen Kopetzky um die Pockenepidemie in dem Eifelstädtchen Monschau im Jahr 1962.
Nach Bekanntwerden des Ausbruchs dieser gefährlichen und ansteckenden Krankheit, ausgelöst durch einen von einem Auslandseinsatz zurückkehrenden Mitarbeiter der größten Fabrik am Ort, werden Experten in die Region geschickt, um sich dieser Sache anzunehmen, d. h. um die Epidemie einzudämmen. Wir pandemieerprobten Leser*innen erfahren nun einiges über Quarantäne, Isolierstationen oder Kontaktnachverfolgungen – nicht digital natürlich, aber allesamt Dinge, die uns inzwischen sehr vertraut sind.
Aber die Pandemie und ihre Bekämpfung bilden nur den Rahmen, es geht in diesem Buch um die Menschen und ihren Umgang mit einer solchen Situation in all seinen Facetten. Und natürlich ist dieser Roman ein Gesellschaftsgemälde der jungen Bundesrepublik, die vom Wirtschaftswunder gleichermaßen geprägt war wie vom kalten Krieg und in der das Gedankengut der noch nicht so lange zurückliegenden Nazizeit durchaus noch nicht aus den Köpfen vieler Menschen verschwunden war. Wie in seinen Büchern vorher gelingt es Steffen Kopetzky auch hier ganz hervorragend, andere historische Ereignisse und Bezüge in die Handlung einzuflechten. Das macht er auf sehr elegante Weise und ohne dass man sich belehrt fühlt.
Und nicht zuletzt geht es in „Monschau“ auch um eine Liebesgeschichte, denn in dem eher konservativ bürgerlichen Monschau begegnen sich zwei, die eigentlich gar nicht dorthin passen.
Ob das gut geht?
25. Mai 2021
Mit „Winterbienen“ von Norbert Scheuer möchten wir die Vorstellung der Autor*innen der diesjährigen Kultur-und Literaturtage und ihrer Bücher fortsetzen.
1944 in der Eifel – die Region ist inzwischen zum Kriegsschauplatz geworden. In dieser Zeit betätigt sich der wegen Epilepsie nicht wehrtaugliche Egidius Arimond als Fluchthelfer. Er bringt jüdische Flüchtlinge in präparierten Bienenstöcken über die belgische Grenze und sichert somit ihr Überleben, tut es jedoch vordergründig, um selbst zu überleben. Das Risiko, entdeckt zu werden und die damit verbundene Lebensgefahr wird mit jedem mal größer, zumal er sich darüber hinaus auch noch in zahlreiche Frauengeschichten verstrickt, u.a. mit der Frau des örtlichen NS-Gruppenleiters.
Norbert Scheuers Buch besticht mit einer eher leisen, manchmal fast lakonischen Sprache, womit aber nichts von deren Eindringlichkeit verlorengeht. Er beschreibt das Grauen des Krieges und der NS-Herrschaft genauso wie den Wunsch nach persönlichem Glück und einer friedlichen Zukunft sowie eine Natur, die sich nicht nach den menschengemachten Spielregeln des Krieges richtet. Und natürlich spielen die titelgebenden Bienen bei alldem keine unwesentliche Rolle.
Wir freuen uns, Norbert Scheuer am 26. Juli 2021 bei uns in Mirow begrüßen zu können.
16. Mai 2021
Nun sind es nur noch gut zwei Monate bis zum Beginn der ersten Woche unserer Kultur- und Literaturtage 2021. Deshalb werden wir weitere Bücher von Autor*innen kurz vorstellen, die bei uns lesen werden. Den Anfang macht Tom Hillenbrand mit seinem Thriller „Montecrypto“. Er wird am 25. Juli 2021 um 19 Uhr in Mirow im Festsaal unseres Schlosses aus „Montecrypto“ und am 26. Juli 2021 in Schwarz aus „Bittere Schokolade“ lesen. Weitere Informationen zu unseren Kultur- und Literaturtagen findet Ihr auf unserer Internetseite unter „Kultur- und Literaturtage“.
Beim Titel „Montecrypto“ und dessen Hauptfigur, dem Ermittler Ed Dante, fühlt man sich an den Klassiker „Der Graf von Monte Christo“ von Alexandre Dumas (dem Älteren) erinnert. Es scheint jedoch kaum vorstellbar, dass ein Wirtschaftskrimi, denn genau das ist Montecrypto, auch nur annähernd etwas mit dem Rachefeldzug des Edmond Dantés zu tun haben könnte, der mit Hilfe eines riesigen Vermögens die Existenz all derer vernichtet, die die seinige zerstört haben.
Doch weit gefehlt: Tom Hillenbrand versteht es ganz ausgezeichnet, solche (trockenen) Themen wie Finanzpolitik und Kryptowährungen in diese spannende, abenteuerliche Geschichte einzuflechten.
Worum es geht: Greg Hollister, ein Pionier der Kryptowährungen, ist bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, und der Privatermittler Ed Dante wird von dessen Schwester beauftragt, nach einem mutmaßlich versteckten Vermögen in Kryptowährung zu suchen. Was für den Finanzexperten und Ex-Banker wie ein Routineauftrag beginnt, entwickelt sich bald zu einem Alptraum, denn bald tauchen Videobotschaften von Hollister im Interet auf und eine weltweite Schatzsuche beginnt. Dabei sind Dante nicht nur unzählige Kryptofans auf den Fersen, denn es geht um weit mehr als einen verschollenen Schatz.
Tom Hillenbrand gelingt es, den Lesenden mit den zum Verständnis der Handlung notwendigen Informationen zur Welt der Kryptowährungen, der Finanzpolitik und des Geldmarktes auszustatten, ohne dass man sich belehrt, überfordert oder gelangweilt fühlt und diese so in die Handlung einzuflechten, dass die Spannung dabei keinen Abbruch erfährt. Und zum turbulenten Schluss erkennt man dann auch, dass das Ganze doch etwas mit dem Grafen von Monte Christo zu tun hat.
Tom Hillenbrand studierte Europapolitik, volontierte an der Holtzbrinck-Journalistenschule und war Ressortleiter bei Spiegel Online. Seine Sachbücher und Romane stehen regelmäßig auf der Spiegel Berstsellerliste und sind in viele Sprachen übersetzt. Für sein Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Radio-Bremem Krimipreis und dem renommierten Glauser-Preis für den besten Kriminalroman.
22. März 2021
Politthriller mit Tiefgang – „Die Toten von Marnow“ von Holger Karsten Schmidt
„Die Toten von Marnow“ sind der erste Fall für die Kommissare Lona Mendt und Frank Elling – ein Gespann, das unterschiedlicher eigentlich nicht sein könnte. Er ein Familienmensch, dessen Lebensstil nicht so ganz zu seinem Polizistengehalt passt, sie die unnahbare Geheimnisvolle, die wenig von sich preisgibt und aus unbekannten Gründen nach Rostock versetzt wurde. Und doch sind die beiden ein gutes Team, und das müssen sie auch sein, denn der Fall, den sie aufklären sollen, entpuppt sich als weitaus komplizierter als anfangs gedacht und konfrontiert sie mit einem dunklen Kapitel deutsch-deutscher Beziehungen vor dem Mauerfall.
Bei einem Toten in einer Rostocker Plattenbausiedlung wird kinderpornografisches Material gefunden. Das Motiv scheint klar: Rache. Aber dann entdecken die beiden Ermittler einige Ungereimtheiten, und schnell wird klar, hier soll etwas vertuscht werden. Aber was und von wem? Die Aufklärung dieses Rätsels führt Lona Mendt und Frank Elling zurück in die Zeit vor dem Fall der Mauer und zu einem westdeutschen Pharmakonzern, einer Klinik in Mecklenburg-Vorpommern, zur Staatssicherheit und einigen einflussreichen Personen, die um jeden Preis und mit allen Mitteln verhindern wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt.
Es ist eine Stärke dieses Buches, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt, und auch die beiden Ermittler verhalten sich bei weitem nicht immer regelkonform sondern mitunter eher moralisch fragwürdig. Dennoch ertappt man sich dabei, dass man den beiden die Daumen drückt, dass sie einigermaßen unbeschadet aus der Sache herauskommen.
Das Buch war bereits im Januar 2020 NDR Buch des Monats, inzwischen ist das Taschenbuch erschienen und nicht zuletzt lief letzte Woche der Vierteiler dazu im Fernsehen. Viele Szenen daraus wurden ja bekanntlich auch hier in der Region gedreht. Uns hat auch die Filmfassung gut gefallen, und wir dachten, das ist doch ein Anlass, noch einmal auf diesen wirklich guten Krimi von Holger Karsten Schmidt hinzuweisen.
28. Februar 2021
An dieser Stelle möchten wir auch immer wieder auf ein paar Bücher hinweisen, die nicht unbedingt in den einschlägigen Bestsellerlisten auftauchen und daher häufig nicht die Beachtung finden, die sie wahrscheinlich verdient hätten.
Wir beginnen mit „Der Mann am Grund“, einem Kriminalroman der tschechischen Autorin Iva Prochazkova. Auf dem Grund eines Baggersees nahe Prag wird in einem Auto die Leiche eines Mannes gefunden, eines Polizisten. Schnell wird klar, dass sich dieser zu Lebzeiten auf Grund seiner höchst umstrittenen Methoden mehr Feinde als Freunde gemacht hat.
Es ist an Kommissar Holina, einem erfahrenen Polizisten, diesen Fall zu lösen. Unterstützt wird er von einem jungen Kollegen, und später, als sich der Kreis der Verdächtigen nicht nur erweitert, sondern sogar noch weitere in den Fall verwickelte Personen zu Tode kommen, auch noch von einer jungen, ehrgeizigen Kollegin. Mit anderen Worten: Konfliktpotential ist ausreichend vorhanden. Dabei hat er genügend eigene Probleme – allen voran das Verhältnis mit der Frau seines Chefs. Diese wird überdies auch noch als Astrologin beratend in den Fall einbezogen, was bei den Polizisten nicht gerade auf Akzeptanz stößt.
Wenn ich diesen Kriminalroman mir anderen aktuellen Erscheinungen in diesem Genre vergleiche, kommt er eigentlich anfangs fast beschaulich daher. Auch wenn es nicht bei dem titelgebenden ersten Toten, dem Mann am Grund, bleibt, wird auf übertriebene Gewaltdarstellungen weitestgehend verzichtet, was jedoch der Spannung keinen Abbruch tut. Im Gegenteil: Im Laufe der Zeit hat die Geschichte mich immer mehr in ihren Bann gezogen. Da aus der Sichtweise mehrerer Protagonisten erzählt wird, hat der Leser sozusagen einen Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern, und der Kreis der in Frage kommenden Täter grenzt sich immer weiter ein. Dennoch ist das Ende nicht unbedingt vorhersehbar. Ein dramaturgisches Detail dieses Romans ist übrigens das Wetter. Parallel zur Handlung wird eine Hitzeperiode beschrieben, und alle hoffen auf den erlösenden Regen, den es am Ende auch in Form eines Gewitters, in dem sich alles entlädt, gibt.
Ich habe diesen Kriminalroman, der diesem Namen tatsächlich gerecht wird, mit großem Vergnügen gelesen und hoffe, dass es einen weiteren Fall geben wird. Zumindest das Ende, das ein dramatisches Ereignis im persönlichen Umfeld des Kommissars Holina beschreibt, lässt darauf hoffen.
Übrigens wird Iva Procházková während unserer Kultur- und Literaturtage am 18. August 2021 aus ihrem neuesten Buch „Die Residentur“ lesen.
28. Januar 2021
Die allgegenwärtigen Corona-Nachrichten verdrängen im Moment so vieles, was auch getan werden müsste, worüber man reden oder nachdenken könnte oder woran bzw. an wen man sich erinnern sollte.
So geht es uns auch, und daher möchten wir wenigstens auf diesem Wege kurz an einen großen Schriftsteller erinnern, der im Januar diesen Jahres 100 Jahre alt geworden wäre – Friedrich Dürrenmatt.
Der Diogenes Verlag hat pünktlich zu diesem Jubiläum eine Biographie Friedrich Dürrenmatts herausgebracht.
Der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt wurde am 5. Januar 1921 geboren. Er ist den meisten wahrscheinlich schon in der Schule das erste mal über den Weg gelaufen und wurde – wie das so ist – vermutlich mit mehr oder weniger Begeisterung gelesen. Später erkennt man dann, dass es sich bei ihm um einen ganz Großen seiner Zunft handelt.
Dabei hat auch ihn das Schicksal der meisten freien Schriftsteller ereilt – der Anfang war wirtschaftlich schwierig. Kaum vorzustellen, dass seine großen Kriminalromane „Der Richter und sein Henker“ und „Der Verdacht“ 1950 zuerst als Fortsetzungs-Geschichten in einer Schweizer Zeitung erschienen.
Mehr Glück hatte er als Dramatiker, Komödien waren nach dem Krieg eben sehr gefragt. Seinen Weltruhm begründete er allerdings mit „Der Besuch der alten Dame“ (1956), und nun ging es auch wirtschaftlich bergauf. 1962 folgte der zweite weltweite Erfolg mit „Die Physiker“.
Auszeichnungen hat er viele erhalten, aber was uns vor allem an ihn erinnern wird sind seine Bücher, die irgendwie zeitlos sind. Vielleicht liegt das auch daran, dass er sich immer kritisch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen auseinandergesetzt hat, was uns u.a. auch einen reichen Schatz an Zitaten beschert hat, wie beispielsweise:
„Das menschliche Wissen ist dem menschlichen Tun davongelaufen, das ist unsere Tragik. Trotz aller unserer Kenntnisse verhalten wir uns immer noch wie die Höhlenmenschen von einst.“ oder
„Ich glaube, dass die anderen Schwierigkeiten, in denen unser Planet steckt, so groß werden, dass die Atomfrage in den Hintergrund tritt.“
Womit wir wieder in der Gegenwart angekommen sind.
24. Januar 2021
Die triste Jahreszeit und Pandemie bedingte Pause nutzend, möchten wir Euch hier immer mal wieder Bücher ans Herz legen, die uns besonders gefallen.
Den Anfang macht unser persönliches Buch des Jahres 2020 „Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens, von dem wohl jede*r schon gehört hat. Auch wir können uns dem überwiegend positiven Feedback nur anschließen.
Es kommt nicht so oft vor, dass die Bücher, die auf den einschlägigen Bestsellerlisten zu finden sind, auch unsere Lieblingsbücher sind. Das war – zumindest was dieses Buch angeht – diesmal etwas anders. Und eigentlich muss man dieses Buch gar nicht besonders empfehlen, denn die zahlreichen begeisterten Rezensionen sprechen für sich. Ich tue es trotzdem, denn für uns war „Der Gesang der Flusskrebse“ in vielerlei Hinsicht tatsächlich auch „das Buch des Jahres“.
Warum? Selten habe ich erlebt, dass sich eine doch eher gemischte, unterschiedliche Leserschaft – Männer, Frauen, ältere und jüngere Jahrgänge mit durchaus verschiedenen Leseneigungen – so einig war in der Beurteilung eines Buches, nämlich dass es eine tolle, absolut lesenswerte Geschichte ist.
Die Geschichte des Marschmädchens Kya, die Delia Owens erzählt, ist ergreifend aber nicht kitschig, die Schilderungen der Natur sind interessant und anschaulich, ohne ausschweifend zu werden, und letztendlich liegt über dem Ganzen eine gewisse Spannung, denn schließlich ist es ja von Beginn an auch eine Kriminalgeschichte. Dadurch passt es auch nicht so recht in eine Schublade, was aus meiner Sicht ebenfalls für das Buch spricht.
Ich habe mich beim Lesen an zwei Romane erinnert, die mich ähnlich berührt haben, einmal Harper Lees „Wer die Nachtigall stört“ und zum anderen David Gutersons „Schnee, der auf Zedern fällt“. Vielleicht hat dieses Buch ja auch das Zeug zum Klassiker.
Also: Wer es immer noch noch nicht gelesen hat, dem sei gesagt: Es lohnt sich!